Donnerstag, 27. Juli 2023

Handbuch Objektive Hermeneutik erschienen

Zu Beginn dieses Jahres erschien das Handbuch Objektive Hermeneutik:

Franzmann, Andreas; Rychner, Marianne; Scheid, Claudia; Twardella, Johannes (ed.) (2023): Handbuch Objektive Hermeneutik. Wiesbaden: Barbara Budrich

zum Inhalt und zu Auszügen aus der Einleitung

s. auch:

zur Analyse von Photographien 

zur Analyse von Gemälden 

zur Analyse von Videos

Anmerkungen zum Handbuch Objektive Hermeneutik

Einige Aspekte des Handbuchs Objektive Hermeneutik*) erfordern eine Ergänzung bzw. Korrektur:

(1) Zum verdienstvollen Abdruck von Oevermann: Fallrekonstruktion und Strukturgeneralisierung (S. 47-82)

(a) Hier wurden – ohne editorische Erwähnung – die Unterstreichungen des Originals getilgt; insofern ist zu empfehlen, vergleichend auf das zwar lediglich als 'graues Papier' erschienene, aber vielzitierte Original zurückzugreifen (was allerdings leider durch die fehlende Seitenkonkordanz erschwert wird).

(b) Zu den nicht gefundenen Literaturhinweisen:

(i) Hommage (S. 81, Fn. 10):

Oevermann, Ulrich (1976): Piagets Bedeutung für die Soziologie. In: Hommage à Jean Piaget zum achtzigsten Geburtstag, Stuttgart: Klett, 36-41

(ii) Versozialwissenschaftlichte (S. 81, Fn. 9):

Es dürfte sich um eine Vorfassung des folgenden Textes handeln (wie wir wissen, arbeitete Oevermann seine Texte über Jahre hinweg aus und um, bis sie irgendwo öffentlich wurden):

Oevermann, Ulrich (1988): Eine exemplarische Fallrekonstruktion zum Typus versozialwissenschaftlichter Identitätsformation. In: Brose, Hanns Georg; Hildenbrand, Bruno (ed.), Vom Ende des Individuums zur Individualität ohne Ende, Opladen: Leske + Budrich, 243-286

(iii) Hermeneutik als (S. 81, Fn. 9): Es dürfte sich um eine Vorfassung der folgenden Texte handeln:

Oevermann, Ulrich (1990): Strukturale Hermeneutik als methodologische Grundlage für „Theorien der Subjektivität". Oldenburg (Vortrag zum Symposium „Verstehen und Methoden", in Oldenburg, am 6[.]9[.] 1990; Tpskr.; 78 S. + 12 S. (Zum Begriff der Lebenspraxis in der objektiven Hermeneutik) + 9 S. (Die Verfahren der Sequenzanalyse und die Fallrekonstruktion: Über den inneren Zusammenhang von objektiver Hermeneutik und Theorien der Individuierung und der Geschichte))

bzw.:

Oevermann, Ulrich (1992): Die objektive Hermeneutik als unverzichtbare methodologische Grundlage für die Analyse von Subjektivität. Zugleich eine Kritik der Tiefenhermeneutik. o. O. [Frankfurt/M.] (Tpskr., Oktober 1992; 48 S.)

bzw.:

Oevermann, Ulrich (1993): Die objektive Hermeneutik als unverzichtbare methodologische Grundlage für die Analyse von Subjektivität. Zugleich eine Kritik der Tiefenhermeneutik. In: Jung, Thomas; Müller-Doohm, Stefan (ed.), „Wirklichkeit“ im Deutungsprozeß. Verstehen und Methoden in den Kultur- und Sozialwissenschaften, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 106-189

(2) Zur Einleitung (und auch zum Vorwort):

(a) Der Abschnitt über das Principle of Charity (S. 39) ist irritierend, da dort der Sache nach über die methodische Sparsamkeitsregel geredet wird. Das Principle of Charity betrifft aber gerade das alltagspraktische Verstehen und steht insofern dem Wörtlichkeitsprinzip entgegen.**)

(b) Die Frage des sogenannten Genderns wird behandelt als sei es eine Frage der Meinung, wie es etwa im Vorwort auf S. 12 erscheint, und gäbe keine Argumente. Dies ist für eine Methode wie die Objektive Hermeneutik, für die die regelkonstituierte objektive Bedeutung zentral ist, unangemessen. So werden etwa Rolle und Person zur „forschende[n] Person“ (S. 409) amalgamiert, wo im Feld der Soziologie zwischen beiden Begriffen doch klar zu unterscheiden ist; offenkundig falsch ist es, wenn dort, wo nun wirklich „Geschlechtsidentität […] zu den begrifflichen Merkmalen [zählt], auf die es ankommt“, um „potentielle Referenzentitäten begrifflich [zu] charakterisieren“ (Zifonun), nämlich beim Frauentausch, dieses Merkmal unterschlagen wird („Austausch von Menschen zwischen an sich fremden sozialen Gruppen“ – Einleitung S. 25).

(c) Das Verhältnis von Methode und Kunstlehre bleibt unklar: s. etwa „Methoden- und Kunstlehre“ (S. 15), weiteres: S. 15, 37, „methodische[..] Kunstlehre“ (S 41).***)

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*) Franzmann, Andreas; Rychner, Marianne; Scheid, Claudia; Twardella, Johannes (ed.) (2023): Handbuch Objektive Hermeneutik. Wiesbaden: Barbara Budrich.

**) s. den Exkurs dazu in: Loer, Thomas (2021): Interviews analysieren. Eine Einführung am Beispiel von Forschungsgesprächen mit Hundehaltern. Wiesbaden: Springer VS [Objektive Hermeneutik in Wissenschaft und Praxis], S. 118

***) Vgl. aber etwa den Abschn. „Kontistutionstheorie und Methodologie, Methode und Kunstlehre“ in Loer 2021, S. 24-26

Mittwoch, 8. Februar 2023

Objektive Hermeneutik in Wissenschaft und Praxis | der zweite Band erschienen

Der zweite Band der Buchreihe "Objektive Hermeneutik in Wissenschaft und Praxis" ist erschienen: Loer, Thomas (2022): Photographien analysieren. Eine Einführung am Beispiel von Philip-Lorca diCorcias ‚Streetwork‘, einem politischen Selfie und einer Photographie aus Auschwitz. Wiesbaden: Springer VS (s. hier und hier) || Der Band führt am Beispiel von drei vom Typus, vom Entstehungs- und vom Verwendungszusammenhang her unterschiedlichen Photos aus verschiedenen Forschungszusammenhängen detailliert in die objektiv-hermeneutische Analyse von Photographien ein. Dabei werden auch Konstitutionstheorie und Methodologie so dargestellt, dass die Arbeit mit der Forschungsmethode Objektive Hermeneutik und ihr Erlernen fundiert und fasslich möglich sind. Dem für die Methode zentralen Prinzip der Sachangemessenheit folgt der Band, indem bei der Auswertung der Photographien materiale Fragestellungen bearbeitet werden: (A) die Rekonstruktion neutraler Reziprozität (ähnlich der zivilen Unaufmerksamkeit gemäß Erving Goffman), (B) die Rekonstruktion der politischen Kommunikation via Selfies als eines eigenen Typus der Kommunikation und (C) die Rekonstruktion einer Praxis, von der Georges Didi-Huberman mit Recht sagt, dass sie alle Anthropologie übersteigt. Die Darlegung setzt bei der Planung der Forschung an, behandelt die Fragen der Fallauswahl, der Selektion des Datentypus und der Erhebung, die spezifischen Fragen der Analyse von Photographien und die besondere Form der Ergebnisdarstellung. Eine Liste publizierter objektiv-hermeneutischer Photographieanalysen und ein Glossar zu Begriffen der Objektiven Hermeneutik ergänzen die Darstellung. Mit Exkursen… …zu Begriff und Terminus der Interpretation …zur Frage von Sichtbarkeit, Notation und Beschreibung …zum Begriff der strukturellen Reziprozität …zu den Begriffen der Normalität und der Normalisierung …zum Phänomen der Bestattung || Weitere Bände zu verschiedenen Datentypen und Gegenständen werden folgen; in Arbeit befindet sich: Fischer, Ute; Loer Thomas (vsl. 2024): Deutungsmuster und Habitusformationen rekonstruieren. Eine Einführung am Beispiel der Haltungen zu den Corona-Maßnahmen und: Scheid, Claudia et al. (vsl. 2024): Kinderzeichnungen analysieren.